Privatsphäre in Gefahr? Telegrams neue Richtlinien zur IP-Offenlegung
Ein Monat ist seit der Verhaftung von Telegram-Geschäftsführer Pavel Durov in Frankreich vergangen. Ihm wird vorgeworfen, dass die Plattform nicht ausreichend mit den Behörden bei der Bekämpfung terroristischer und extremistischer Inhalte zusammengearbeitet hat. Auch wenn ein Monat im Kontext von Telegram, das 2013 gegründet wurde, nicht viel zu sein scheint, hat sich in der Politik von Telegram viel verändert. Es ist wichtig, diese Veränderungen im Auge zu behalten: Auf den ersten Blick scheinen diese Veränderungen ein schlechtes Omen für die Zukunft zu sein.
Nachdem Durov gegen eine Kaution von 5 Millionen Euro bis zu seinem Prozess freigelassen wurde, hat Telegram mehrere Anpassungen an seinen FAQs und Datenschutzrichtlinien vorgenommen. Einige davon scheinen lediglich kosmetischer Natur zu sein. So erklärte Telegram beispielsweise, dass die Möglichkeit, Chats in öffentlichen und privaten Kanälen an Moderatoren zu melden, nicht neu sei, sondern bereits vorher existierte. Andere Änderungen hingegen gehen über bloße Wortänderungen hinaus und könnten erhebliche Auswirkungen auf die Nutzer:innen haben.
Telegram wird Ihre Telefonnummer und IP-Adresse weitergeben
Am 23. September aktualisierte Telegram seine Datenschutzrichtlinie und gab bekannt, dass es nun IP-Adressen und Telefonnummern an Behörden weitergeben wird, wenn „gültige“ Anfragen vorliegen. Zuvor war in der Richtlinie festgelegt, dass solche Anfragen in Form einer „gerichtlichen Anordnung“ vorliegen mussten. Diese Formulierung wurde nun geändert in „eine gültige Anordnung der zuständigen Justizbehörden“.
Die entscheidende Änderung besteht jedoch darin, dass die Anforderungen für die Herausgabe von Nutzerdaten erheblich gesenkt wurden. Früher durften IP-Adressen und Telefonnummern nur dann weitergegeben werden, wenn die Nutzer:innen in einem Fall im Zusammenhang mit Terrorismus verdächtigt wurden. Jetzt genügt es, wenn sie in einem Fall verdächtigt werden, der „kriminelle Aktivitäten betrifft, die gegen die Nutzungsbedingungen von Telegram verstoßen“.
In den Screenshots unten können Sie sowohl die alte als auch die neue, aktualisierte Version der Richtlinie sehen.
Was bedeutet das für Nutzer:innen?
In einigen Ländern können Menschen aus fragwürdigen Gründen als Terrorverdächtige eingestuft werden, insbesondere in undemokratischen Staaten, wo das Gesetz für politische Verfolgung missbraucht werden kann. Die frühere Zusicherung, dass nur in die Privatsphäre von tatsächlichen Terrorismusverdächtigen eingegriffen werden darf, war daher nur bedingt beruhigend. Dennoch ist diese neue Entwicklung äußerst besorgniserregend.
Die Ausweitung dessen, was als „kriminelle Fälle“ gilt, erhöht erheblich die Umstände, unter denen Telegram verpflichtet ist, Anfragen von Regierungen nachzukommen. Das bedeutet, dass die Daten von mehr Nutzer:innen potenziell an die Behörden weitergegeben werden können. In weniger demokratischen Ländern steigt das Risiko, dass diese Instrumente von den Behörden missbraucht werden und Nutzer:innen Gefahr laufen, dass ihre persönlichen Daten offengelegt werden.
Es bleibt abzuwarten, wie Telegram diese neue Richtlinie umsetzen wird und vor allem, wie flexibel das Unternehmen auf Regierungsanfragen reagieren wird. Nach welchen internen Kriterien wird entschieden, ob eine Anfrage gerechtfertigt ist? Telegram gibt an, jede Anfrage rechtlich zu prüfen, aber es ist unklar, wie streng dieser Prozess ist und wer dafür verantwortlich ist. Diese Fragen werden das zukünftige Verhalten von Telegram im Umgang mit Regierungsanfragen entscheidend beeinflussen.
Denis Vyazovoy, CPO von AdGuard VPN, äußert sich dazu:
„Was mich in dieser Situation am meisten beunruhigt, ist, wie und auf welche Anfragen Telegram reagieren wird. Es ist eine Sache, einen Gerichtsbeschluss zu haben und diese Hintertür im Kampf gegen den Terrorismus zu nutzen, aber es ist etwas ganz anderes, in die Privatsphäre gewöhnlicher Menschen einzugreifen, die aus verschiedenen Gründen ins Visier der Geheimdienste geraten sind. Leider wird die Freiheit des Internets von Tag zu Tag mehr eingeschränkt.“
Solange wir die Auswirkungen dieser Richtlinie nicht sehen, bleibt alles Spekulation. Angesichts der drohenden langen Haftstrafe für Durov gehen wir jedoch davon aus, dass Telegram in Zukunft den Forderungen verschiedener Regierungen nachkommen wird. Wahrscheinlich werden wir die ersten Anzeichen dieser engeren Zusammenarbeit im nächsten vierteljährlichen Transparenzbericht von Telegram sehen.
So machen Sie Telegram privater
Zunächst einmal ist Telegram nicht die sicherste Messaging-App auf dem Markt. Der Umstand, dass nicht alle Ihre Direktnachrichten standardmäßig Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind – nur die in geheimen Chats – sollte ein Warnsignal in Bezug auf Sicherheits- und Datenschutzmängel sein.
Neben grundlegenden Maßnahmen wie der Verwendung einer separaten Telefonnummer für Ihre Social-Media-Konten gibt es einige Möglichkeiten, die Plattform sicherer und privater zu gestalten.
Zu geheimen Chats wechseln
Wenn Sie Ihre Kommunikation über Telegram vertraulicher gestalten möchten, sollten Sie die App ausschließlich im geheimen Chat-Modus verwenden.
So starten Sie einen geheimen Chat:
- Telegram öffnen: Starten Sie die App auf Ihrem Mobilgerät
- Kontakt auswählen: Tippen Sie auf das Chat-Symbol, um die Person zu finden, der Sie eine Nachricht senden möchten
- Geheimen Chat starten: Tippen Sie oben auf dem Bildschirm auf den Namen des Kontakts. Wählen Sie im angezeigten Menü Mehr → Geheimen Chat starten
- Nachrichten senden: Jetzt befinden Sie sich in einer sicheren Umgebung, in der Ihre Nachrichten Ende-zu-Ende verschlüsselt sind
Bitte beachten Sie, dass die geheime Chat-Funktion nur auf mobilen Geräten verfügbar ist. Die einzige Desktop-Version, die diese Funktion bietet, ist die native Telegram-App für macOS, die Sie von der offiziellen Telegram-Website oder aus dem Mac App Store herunterladen können. Wenn Sie diese Option nicht sehen, nutzen Sie möglicherweise einen anderen Telegram-Desktop-Client für macOS namens Telegram Lite. Sie können ihn hier herunterladen.
Aktuell gibt es keine geheime Chat-Funktion in den offiziellen Clients für Windows oder Linux, und auch Telegram Web unterstützt diese Funktion nicht. Telegram erklärt diese Einschränkung in seinen FAQs aus Sicherheitsgründen.
VPN verwenden
Ein VPN verbirgt Ihre echte IP-Adresse vor Ihrem Internetanbieter und somit auch vor jeder Anwendung, die Sie nutzen, während Sie mit dem VPN verbunden sind, einschließlich Telegram. Wenn Sie sich mit einem VPN verbinden, wird Ihre echte IP-Adresse maskiert, indem Ihr Internetverkehr über den VPN-Server geleitet wird. Das bedeutet, dass Telegram nur die IP-Adresse des VPN-Servers sieht und nicht Ihre echte IP-Adresse. Selbst wenn Telegram Anfragen nach Nutzerdaten beantwortet, bleibt Ihre echte IP-Adresse verborgen.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Nutzung eines VPN Telegram nicht daran hindert, Ihre Telefonnummer zu erfahren, wenn Sie bereits bei Telegram registriert sind. Um ein Konto zu erstellen, benötigt Telegram eine Telefonnummer, und diese Information wird von der Plattform gespeichert. Wenn Sie also Ihre Chancen auf Anonymität erhöhen möchten, sollten Sie nicht Ihre Hauptnummer verwenden, um sich bei Telegram anzumelden.